„Der Handel wäre massiv von einem Blackout betroffen“

Ein Blackout im Herbst oder Winter ist mittlerweile ein realistisches Szenario, sagt Sicherheitsexperte Dr. Christian Endreß. Tritt ein flächendeckender Stromausfall dann tatsächlich ein, ist mit einem geänderten Bevölkerungsverhalten zu rechnen, auf das der Nonfood-Handel reagieren muss. Was Unternehmen jetzt schon tun können, erklärt der Geschäftsführer der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft e.V. im liv.biz-Interview.

21.09.2022 Alexander Hahn 0 Kommentare 1 Likes

Ein flächendeckender Stromausfall, auch „Blackout“ genannt, ist in Deutschland mittlerweile ein „realistisches Szenario“, sagt Dr. Christian Endreß. Foto: Andre Benz – unsplash.com

Dr. Christian Endreß ist Geschäftsführer der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft e.V. und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Innerer Sicherheit und Kriminalprävention in der Wirtschaft. Zuletzt ist sein neues Buch „Risiko Blackout: Krisenvorsorge für Wirtschaft, Behörden und Kommunen“ beim Richard Boorberg Verlag erschienen.

Dr. Christian Endreß, Sicherheitsexperte und Geschäftsführer der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft e.V. (ASW). Foto: ASW West

Wie wahrscheinlich ist ein Blackout im Herbst/Winter?

Grundsätzlich verfügen wir in Deutschland über ein stabiles Stromnetz. Ob ein Blackout im Herbst oder Winter eintreten wird, kann natürlich niemand mit Sicherheit voraussagen. Wir sprechen allerdings mittlerweile von einem realistischen Szenario, also einer konkreten Gefährdungslage. Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist massiv gestiegen. Es gibt verschiedene Ursachen, die zu einem Blackout führen können. Unter einem Blackout ist ein großflächiger, langanhaltender Stromausfall zu verstehen.

Was würde ein Blackout für den Nonfood-Handel bedeuten?

Allgemein betrachtet ist ein Blackout das „Worst-Case-Szenario“ von zivilen Ereignissen und hat Auswirkungen auf alle Lebensbereiche. So auch auf den Nonfood-Handel. Es gibt unterschiedliche Ausprägungen eines Stromausfalls, die denkbar sind – regional, national, europäisch. Auch die Zeitspanne spielt eine entscheidende Rolle. Alles, was über 72 Stunden geht, kommt einer nationalen Katastrophe mit unvorstellbaren Ausmaßen gleich.

Der Handel wäre massiv betroffen. Mitarbeitende, die noch ihren Arbeitsplatz aufsuchen werden, treffen auf einen nicht mehr funktionierenden Handel. EC-Karten können nicht mehr genutzt werden, Kassensysteme sind abhängig von elektrischem Strom. Die Anlieferung von Waren wird nicht oder nur stark begrenzt möglich sein. Nonfood-Filialen, die über eine Notstromversorgung verfügen, sind mir bislang nicht bekannt.

Wie können Händler vorsorgen?

Bei einem Blackout ist mit einer Veränderung des Bevölkerungsverhaltens zu rechnen. Es wird zu Panikkäufen kommen. Die Notfallbevorratung in den Haushalten ist in Deutschland nicht gut ausgeprägt. Das haben unterschiedliche Studien belegt. In Konsequenz werden die Menschen anfangen, sich zu bevorraten, sobald der Ernstfall eintritt. Neben Lebensmitteln werden die Menschen sich auch mit Waren aus dem Nonfood-Bereich eindecken.

Wichtig für die Händler ist es, sich frühzeitig mit diesem Szenario auseinander zu setzen. Dabei sind wesentliche Fragen ausschlaggebend:

  • Wie kommuniziere ich mit meinen Mitarbeitenden?
  • Wer kommt zur Arbeitsstätte, wenn der Strom ausfällt?
  • Gibt es Mitarbeitende, die zu Fuß oder mit dem Fahrrad das Unternehmen erreichen können?
  • Verfüge ich über Handkassen?

Eine Option könnte auch sein, das Unternehmen zu schließen und Eigentumssicherung zu betreiben. Aber auch dieser Punkt muss vorher durchdacht werden. Kurzum: alle Unternehmen sollten über eine Notfallplanung verfügen und ein Krisenmanagement haben. Unser Verband unterstützt bei solchen Maßnahmen.

Welche Waren sollte der Handel jetzt in den Vordergrund stellen? Und wie funktioniert das, ohne beim Kunden Panik zu erzeugen?

Eine klare Kommunikation ist enorm wichtig. Die Menschen sind nicht blöd. Es geht darum, über Risiken zu informieren, ohne dabei in Panikmache zu verfallen. Sollte sich das Szenario weiter konkretisieren, werden Menschen ihr Einkaufsverhalten ändern. Sie werden Waren wie Kerzen, Decken und natürlich Toilettenpapier bevorraten. Die entsprechenden Warengruppen sollten dann aber auch auf Lager sein. Es gibt hier seitens des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe hilfreiche Empfehlungen, was die Menschen bevorraten sollten.

Ein Nonfood-Händler aus NRW hat vorausschauend in seiner Beilage auch die Checkliste abgedruckt. Mit solchen Maßnahmen erreicht man viele Kunden. Das empfand ich als sehr sinnvollen Schritt. Ich würde mir wünschen, dass auch weitere Handelsunternehmen diesem Beispiel folgen.

Kommuniziert der Handel in diesem Punkt genug mit dem Endkunden?

Es gibt natürlich Unternehmen, die eine vorbildliche Kommunikation betreiben und das Thema ernst nehmen. Andere Unternehmen wollen ihre Produkte bewerben und überlassen die Kommunikation den staatlichen Stellen. Das ist legitim, jedes Handelsunternehmen muss das für sich entscheiden.

Wie wird der Nonfood-Handel ins Krisenmanagement mit einbezogen?

Der Handel wird im Allgemeinen noch viel zu wenig beim staatlichen Krisenmanagement mit einbezogen. Das müssen und das werden wir auch ändern. Als Wirtschaftsschutzverband stehen wir im ständigen Dialog mit den Entscheidungsträgern der verantwortlichen staatlichen Stellen. Hier müssen wir künftig andere Wege einschlagen und das Potenzial der Privatwirtschaft bei Krisen nutzen.

So ist zum Beispiel der Lebensmittelhandel noch nicht in die staatliche Ernährungsnotfallvorsorge eingebunden. Das System, das tagtäglich viele Millionen Menschen versorgt, wird im Notfall nicht hinreichend eingebunden. Das ist für mich nicht nachvollziehbar. Die staatliche Ernährungsnotfallvorsorge, die ihren Ursprung in den Zeiten des Kalten Krieges hat, wird heutigen denkbaren Szenarien nicht gerecht.

Sie haben ein Buch mit dem Titel „Risiko Blackout“ geschrieben. Wie ist die Idee dazu entstanden, was erwartet den Leser und wie ist die aktuelle Nachfrage?

Wir beschäftigen uns in Expertenkreisen seit vielen Jahren mit dem Thema „Blackout“. Bislang haben wir weder in der Politik noch in weiten Teilen der Gesellschaft Gehör gefunden. Im vergangenen Jahr haben wir dann entschieden, die Problematik interdisziplinär zu bearbeiten. Dazu haben wir Expertinnen und Experten aus allen relevanten Bereichen gewinnen können.

Wir kommen zu dem Ergebnis: Es gibt noch viel zu tun, um von einer adäquaten Vorsorge in Deutschland sprechen zu können. Dass das Buch nun durch die derzeitige Situation so eine Aktualität gewinnt, konnten wir natürlich zu Projektbeginn nicht absehen.

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