„Lieferengpässe werden sich sukzessive wieder auflösen“
Was erwartet den Nonfood-Handel im Herbst? Eine Frage, die fast jeden Händler in der Branche aktuell beschäftigen dürfte. Experte Sergio Klaus-Peter Voigt, Managing Partner der Gaptac GmbH und ehemaliger Executive Vice President von MediaMarktSaturn, beleuchtet in einem Gastbeitrag die aktuelle Situation und gibt Hoffnung für die nahe Zukunft.

Sergio Klaus-Peter Voigt, Managing Partner der Gaptac GmbH. Foto: Voigt
Sergio Klaus-Peter Voigt ist seit 2019 Managing Partner (Co-Gesellschafter und GF) der Gaptac GmbH. Zuvor war er unter anderem als Executive Vice President bei MediaMarktSaturn und Group CEO bei TELEFUNKEN Holding SE tätig. Begonnen hat Voigt seine berufliche Karriere 1989 als Product Manager bei MediaMarkt Verwaltungs GmbH.
„Der Handel saß am längeren Hebel“
Derzeit am Markt spürbare Lieferengpässe in diesem Ausmaß, auch in Bezug auf die Anzahl der davon betroffenen Sortimente, sind natürlich eine völlig neue Situation für den Nonfood-Handel. Engpässe war man bisher nur zu den alljährlichen Produkt-Launches der großen Marken gewohnt, beispielsweise bei angesagten Spielekonsolen von Sony, Microsoft, Nintendo Switch und Co. – oder bei der Einführung heißbegehrter Mobile Phones. Ansonsten gab es in der Nonfood-Branche eher einen klassischen „Käufermarkt“, soll heißen: Der Handel saß sozusagen am längeren Hebel. Ware gab es zu Genüge. Die Abnahmemenge bestimmte den Einkaufspreis, was meist zur Folge hatte, dass der Endverbraucher rund um die Uhr Schnäppchen machen konnte.
In den vergangenen zwei Jahren wurde uns allen sehr deutlich die Abhängigkeit der produzierenden Industrie zu den asiatischen Märkten vor Augen geführt. Stichworte sind hier „Chip-Mangel“ und „Engpässe“ bei den sogenannten seltenen Erden und anderen Rohstoffen. Europäische, allen voran die deutschen Schlüsselindustrien wie die Automobil-Branche oder die Hausgeräte-Industrie konnten die Nachfrage am Markt nicht mehr bedienen.
Kunden wollen für höheren Preis mehr Qualität
Die Verknappung von Ware führt in aller Regel immer zu Preissteigerungen, ein Überangebot lässt die Preise bekanntermaßen purzeln. Das jetzt auch noch eine inflationäre Entwicklung mit dieser Wucht, die Bezugs- und Verkaufspreise explodieren lässt, das ist natürlich erst einmal ein „Kauflaune-Killer”. Nur was hilft es, wenn der TV, die Waschmine oder der Gefrierschrank defekt und nicht mehr zu reparieren ist? Es braucht Ersatz. Auf diese Produkte kann man nicht verzichten.
Sicherlich führt dies auf der Kundenseite zu einem höheren Anspruch an die Qualität des Produktes und der Marke. Nach dem Motto: Wenn man schon Geld ausgeben „muss“, dann soll es halt etwas Gutes sein. Meiner Meinung nach wird dadurch eher das untere Preissegment unter Druck geraten und die sogenannte Mitte und der Premiumbereich weiter zulegen. Dies gilt auch für die bekannten Top-Marken in der Branche.
Kunden werden bewusster kaufen
Nach wie vor haben wir in Deutschland einen sehr wettbewerbsintensiven Markt – ob stationär, pure online oder multichannel. Das heißt: Der Handel wird weiterhin mit guten Angeboten um die Gunst des Konsumenten kämpfen; noch dazu, wenn der Kunde, wie oben beschrieben, neben dem Preis vermehrt auf die Qualität achten wird.
Die Nonfood-Industrie und damit auch die Unterhaltungselektronik- Industrie lebt in einem hohen Maße sowohl von der Freude des Kunden am Spielen, an der medialen Unterhaltung und am Kommunizieren als auch von der innovativen Kraft der großen Elektronik-Marken. Die, der Pandemie geschuldeten, auferlegten Maßnahmen für die Menschen in den letzten beiden Jahren haben in bestimmten Kategorien einen Run auf die Produkte ausgelöst. Man denke nur an die Themen: Homeoffice und Videokonferenzen.
Es wird sicherlich niemanden überraschen, dass eine Sättigung der relevanten Kategorien erst einmal zu einer Verlangsamung der Absätze führen dürfte. Aber auch das ist keine neue Erkenntnis. Ein „Weihnachten ohne Geschenke“ wird es meiner Meinung nach nicht geben. Auch hier denke ich, dass der Kunde wieder viel bewusster Geschenke für seine Liebsten auswählen wird.
Globale und heimische Industrie-Märkte müssen zusammenarbeiten
Als Anbieter von Nonfood würde ich mir manchmal vom Handel wünschen, dass man wieder mehr zu der Tugend der „Lieferantentreue“ und einem partnerschaftlichen Miteinander findet, um eben Ausnahmesituation wie diese gemeinsam angehen und lösen zu können. Denkbar sind hier gemeinsame Absatzplanungen zur Warensicherung und Bevorratung.
Derzeit gibt es bei den meisten Händlern und deren Category Management die Vorgabe zu „drop shipment“ durch den Lieferanten und ein hundertprozentiges Retourenrecht für die Lagerware. Diese Forderungen sind sicherlich legitim und dennoch zu diskutieren. Drop shipment ist eine zusätzliche Dienstleistung des Herstellers/Lieferanten und entlastet natürlich den Händler von dem Risiko der Abschriften für die Lagerware. Eine „alte Händlerweisheit“ besagt: Warendruck schafft Verkaufsdruck! Beste Preise, ausreichende Warenversorgung mit Top-Ware, zusätzliche Zahlungsziele, zusätzliche WKZ, Boni, drop shipment und Retourenrecht –irgendetwas sagt mir, dass dies am Ende des Tages nicht aufgehen wird. Aber auch hier gilt: Der Wettbewerb wird das schon regeln und diesem entkommt man meist kaum.
Die Engpässe in den Lieferketten werden sich sukzessive wieder auflösen. Zum einen, weil die bekannten, produzierenden Länder wieder ihre volle Produktionskapazität erreichen werden. Zum anderen, weil – und das hoffe ich sehr stark – es wieder zu einem besseren Einklang zwischen den globalen und den heimischen Industrie/Produktions-Märkten kommen wird; nicht von heute auf morgen, aber mittelfristig. Die geopolitischen Risiken und die folgenschweren Konsequenzen für uns alle blende ich an dieser Stelle einmal aus.
Super Interview!