Menstruation for free

Mehr als 100.000 Euro zahlen Menstruierende im Laufe ihres Lebens für Hygieneartikel. Manche Menschen können sich das nicht leisten. Schottland stellt seit 2020 kostenlos Menstruationsartikel in öffentlichen Gebäuden bereit, Deutschland zieht ganz langsam nach. liv.biz erklärt die Auswirkungen für den Einzelhandel.

16.03.2022 Alexander Hahn 0 Kommentare 2 Likes
Tampons vor einem blauen Hintergrund.

Tampons vor einem blauen Hintergrund. Foto: Natracare – unsplash.com

Schottland ist uns nicht nur in Sachen Vier-Tage-Woche um einiges voraus, sondern auch beim Bereitstellen kostenloser Menstruationsartikel. So verpflichtet ein Gesetz seit 2020 Verwaltungen öffentlicher Gebäude dazu, entsprechende Hygieneartikel kostenlos bereitzustellen. Gleiches ist übrigens in Großbritannien der Fall. Die anfallenden Kosten übernimmt in beiden Fällen der Staat. 

So sieht es in Deutschland aus 

In Deutschland wurde Anfang 2020 die Mehrwertsteuer auf Binden, Tampons und Co. von ursprünglichen 19 auf 7 Prozent gesenkt. Vereinzelt wird nun in öffentlichen Einrichtungen eine kostenlose Bereitstellung getestet, zum Beispiel an den Universitäten Regensburg und Passau, sowie an Magdeburger Schulen und Freizeiteinrichtungen.  

Wichtig ist eine kostenlose Bereitstellung vor allem für solche Menschen, die sich die teuren Hygieneprodukte nicht leisten können. Dazu zählen zum Beispiel Obdachlose oder auch Jugendliche aus sozial schwachen Familien, die während der Periode dann zu Hause bleiben, statt in die Schule zu gehen. Die sogenannte Period Poverty”, Periodenarmut, ist ein globales Problem, schätzungsweise fünf Millionen menstruierende Menschen haben keinen Zugang zu benötigten Hygieneartikeln. Die Produkte können schlichtweg nicht bezahlt werden. Die Period Poverty” haben auch Schottland und Großbritannien im Blick, deshalb übernimmt also der Staat die Kosten und bietet im ganzen Land einen freien Zugang. Davon sind wir in Deutschland noch weit entfernt. 

Wenn Menstruationsartikel in Deutschland kostenlos wären… 

Denkbar ist natürlich, dass viele Städte es Regensburg, Passau und Magdeburg gleichtun und mit der Zeit nachziehen. Menstruationsartikel werden dann aber wahrscheinlich eher direkt von den Händlern bezogen, anstatt sie im Einzelhandel zu kaufen. Das wäre natürlich von Nachteil für den Einzelhandel, eine geringere Menge würde von dort bezogen werden. 

Das sagt auch die Dirk Rossmann GmbH: 

Für den Fall, dass Menstruationsartikel kostenlos in allen öffentlichen Gebäuden gestellt werden, müssten sich Damenhygiene-Hersteller vermutlich mit den entsprechenden Behörden abstimmen, um die Rahmenbedingungen, wie Preise, Mengen oder Belieferung, festzulegen.” 

Ähnlich wie beim Klopapier werden aber wohl kaum solche Personen, die es sich leisten können, Menstruationsartikel zu kaufen, mit Tüten bepackt in öffentliche Gebäude rennen und Tampons, Binden und Co. einsammeln und so den Verbrauch zu Hause absichern. Das hat vor allem etwas mit Scham und der Tatsache zu tun, dass man auch Bedürftigen nichts wegnehmen möchte.  

Also wird es vermutlich am Ende so laufen, wie mit Toilettenpapier: Möchte man Menstruationsartikel im Hause haben, muss man sie kaufen. Denn Fakt ist auch: Menstruation findet auch nachts statt und nicht nur, wenn wir uns in öffentlichen Gebäuden bewegen. Das heißt: Menstruationsartikel müssten weiterhin gekauft werden – und zwar im Einzelhandel. In öffentlichen Gebäuden werden wahrscheinlich auch nicht immer die Produkte bereitstehen, die man gerne benutzt oder vielleicht auch am besten verträgt. Daher ist es denkbar, dass sich bei einer kostenlosen Bereitstellung Umsatz und Angebot im Einzelhandel verändern würden. Irgendwann würde sich aber vermutlich ein Gleichgewicht einstellen. Ähnlich sieht das auch die Dirk Rossmann GmbH:  

Käme es tatsächlich zu einer großflächigen Umsetzung, würde die Nachfrage der Endverbraucherinnen für den privaten Kauf” sicherlich etwas sinken.” 

Kostenlose Menstruationsartikel für alle? 

In Schottland werden Menstruationsartikel allerdings auch in Apotheken an Menstruierende ausgegeben. Dies wäre also auch eine denkbare Anlaufstelle für finanziell besser Gestellte. Denn klar ist: Auch diese können nichts für ihre monatliche Blutung. Würden in Deutschland also auch Apotheken und Unternehmen Menstruationsartikel bereitstellen, hätte dies natürlich weitergreifende Konsequenzen für den Einzelhandel. Denn immerhin die Hälfte der deutschen Bevölkerung ist auf solche Produkte angewiesen. Es bleibt also abzuwarten, ob und wann Menstruationsartikel in Deutschland kostenlos werden und wie Staat und Einzelhandel mit der Finanzierung umgehen.  

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