Sind Markenunternehmen Krisen-Verlierer?
liv.biz hat sich bereits vor einigen Monaten gefragt: Sind Eigenmarken Krisen-Gewinner und Marken die Verlierer in schwierigen Zeiten? Eine aktuelle Studie von McKinsey & Company in Kooperation mit dem Markenverband zeigt jetzt: Deutsche Markenunternehmen bewerten ihre wirtschaftliche Situation eher schlecht. Hoffnung liegt in der Zukunft – vor allem in der Nachhaltigkeit.

Deutsche Markenunternehmen blicken pessimistisch auf ihre Wirtschaftslage. Foto: Алекс Арцибашев – unsplash.com
Marke oder Eigenmarke? Eine Frage, die sich angesichts steigender Preise plus Inflation derzeit viele Konsumenten stellen. Experten prophezeiten bereits vor Monaten einen Push von Eigenmarken und einen Verlust für etablierte Marken. Eine Einschätzung, die auch deutsche Markenunternehmen im Oktober 2022 teilen: Nur drei Prozent bewerten ihre Situation allenfalls als sehr gut, 39 Prozent als gut. Das ergab eine Studie von McKinsey & Company in Kooperation mit dem Markenverband. Deutschland Marken bewerten ihre Lage deutlich negativer als Unternehmen aus anderen Ländern. 28 Prozent der befragten Unternehmen in Benelux/Skandinavien finden ihre gegenwärtige Lage zum Beispiel sehr gut, in den USA sind es 26 Prozent.
Deutsche Markenunternehmen glauben an Wettbewerbsvorteil
McKinsey untersucht seit 1999 regelmäßig die Situation deutscher Markenunternehmen vor dem Hintergrund der jeweiligen makroökonomischen Entwicklungen. 2022 gibt es eine Neuerung: Neben der Mitgliederbefragung des deutschen Markenverbands wurden erstmalig auch internationale Vergleiche gezogen. So nahmen insgesamt rund 140 Unternehmen aller Größenordnungen teil und zwar sowohl aus Deutschland als auch Belgien, Luxemburg, Niederlande, Schweden, Dänemark, Norwegen, Finnland und den USA. Die Unternehmen stammen aus Branchen wie Mode, Kosmetik, Haushaltswaren, Unterhaltungselektronik und Lebensmittel.
Obwohl die Aussichten aktuell sehr düster scheinen, blicken Markenunternehmen aber durchaus positiv in die nahe Zukunft. 59 Prozent der deutschen Unternehmen glauben an eine gute Zukunft in den kommenden zwei bis drei Jahren, fünf Prozent haben sogar sehr gute Geschäftserwartungen. „Deutschlands Markenwirtschaft kämpft derzeit mit gravierenden Herausforderungen wie steigenden Energiekosten, Lieferkettenproblemen und einem trüben Konsumklima. Dennoch verfügt Deutschlands Markenwirtschaft nach wie vor über eine starke Substanz, und dessen sind sich die Unternehmen auch bewusst. Die deutschen Unternehmen schätzen ihre Marken im Ländervergleich mit Abstand am stärksten ein“, sagt Jesko Perrey, Autor der Studie und Senior Partner bei McKinsey in Düsseldorf.
Das starke Selbstbewusstsein deutscher Markenunternehmen spiegelt sich auch in der Einschätzung gegenüber Unternehmen aus anderen Ländern wider: Fast 80 Prozent sehen einen klaren Wettbewerbsvorteil durch ihre Marke, in Benelux und Skandinavien sowie in den USA sind es nur rund zwei Drittel. Außerdem sind 86 Prozent der Meinung, dass ihre Marke in den vergangenen drei Jahren an Stärke gewonnen hat, in den USA gaben das 84 Prozent, in Nord- und Westeuropa 74 Prozent an.
Nachhaltigkeit als Erfolgsfaktor?
Aktuelle Hürden sehen deutsche Markenartikler insbesondere in sinkenden Budgets in der Markenkommunikation, in einer Änderung des Konsumverhaltens und in den zunehmenden regulatorischen Eingriffen in Marktprozesse. Vor allem werden Regulierungen zum Datenschutz, zu Steuern und Kommunikationsanforderungen (zum Beispiel Werbung oder Verpackungen) als streng angesehen.
Großes Potenzial wird hingegen Nachhaltigkeit zugeschrieben. Zwei der Drittel der deutschen Markenartikler betrachten Nachhaltigkeit zum Beispiel als relevantes Instrument für den Mitarbeitergewinn. 60 Prozent glauben, dass Nachhaltigkeit bedeutend ist, um sich vom Wettbewerb zu differenzieren und Reputationsrisiken zu minimieren. Wiederum die Hälfte der befragten deutschen Markenunternehmen findet Nachhaltigkeit sehr wichtig, um Kunden anzuziehen und zu halten, 44 Prozent erhoffen sich davon ein Preispremium.
Auf der anderen Seite halten deutsche Markenartikler Nachhaltigkeit aber weniger entscheidend für das Wachstum, nur 38 Prozent knüpfen große Wachstumserwartungen an Sustainability. Weniger als jedes dritte deutsche Unternehmen hält Nachhaltigkeit außerdem für einen Game Changer mit fundamentalem Einfluss auf das gesamte Geschäftsmodell. „Die Markenartikler in Deutschland sind nur zum Teil überzeugt, dass Nachhaltigkeit ihnen Wachstum bringen wird. Daher wundert es nicht, dass nur wenige Marken bereit sind, in ihr nachhaltiges Image zu investieren“, sagt Co-Autor der Studie, McKinsey-Partner Sascha Lehmann. So zählt nur jedes fünfte deutsche Unternehmen hohe Investitionen in die Markenkommunikation rund um Nachhaltigkeit zu den Top-3-Aufgaben (zum Vergleich: Benelux/Skandinavien 32 Prozent, USA 30 Prozent).
Deutschland hat Nachholbedarf bei Nachhaltigkeit
Deutsche Unternehmen glauben außerdem, dass sie bereits gut in Sachen Nachhaltigkeit aufgestellt sind: 92 Prozent positionieren ihre Marken hier über dem Wettbewerbsdurchschnitt und 81 Prozent glauben, dass auch ihre Kunden sie als nachhaltig wahrnehmen. Allerdings scheint Nachhaltigkeit weniger gut in der Unternehmensorganisation verankert zu sein: 45 Prozent der befragten deutschen Unternehmen verfügen über eine dedizierte Strategie und 64 Prozent über ein spezielles Sustainability-Team.
Auch hier gibt es teils deutliche Unterschiede zu Unternehmen in Benelux/Skandinavien: 48 Prozent besitzen hier eine Nachhaltigkeitsstrategie, 70 Prozent ein spezielles Team. Schlechter als in Deutschland läuft es in den USA: 18 Prozent und 34 Prozent sind dort die Kennzahlen. „Die Markenunternehmen in Benelux und Skandinavien scheinen den deutschen Unternehmen beim Thema Nachhaltigkeit etwas voraus zu sein. Deutsche Marken sollten Nachhaltigkeit zum festen Bestandteil der eigenen Geschäftsstrategie machen, um am Ball zu bleiben und das Wachstumspotenzial zu nutzen“, sagt Lehmann.
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