Sind Unternehmen ab Herbst noch handlungsfähig?

Steigende Energiekosten belasten alle Unternehmen in allen Branchen. Was aber oftmals nicht bedacht wird: Rechenzentren und Netzbetreiber brauchen auch Strom – unabhängig von ihrer Größe. Denn diese Akteure sind das "Rückgrat der Digitalisierung", sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. Können sie in den Herbst- und Wintermonaten nicht agieren, drohen Deutschland noch weitere als die bekannten Herausforderungen.

15.09.2022 Alexander Hahn 0 Kommentare 1 Likes
Die digitale Welt aus dem All.

Ein Blick auf die beleuchtete Erde aus dem All. Foto: NASA – unsplash.com

Digitalisierung ist nicht nur ein vorherrschender Trend in der Nonfood-Branche, sondern auch eine Notwendigkeit. Die Corona-Pandemie hat vielen Unternehmen gezeigt, wie wichtig es ist, digital gut aufgestellt zu sein. Bedeutende Stichworte sind hier sowohl „Homeoffice“ als auch „Onlineshops“, um in Krisenzeiten handlungsfähig zu bleiben. Während Covid-19 im Vergleich zu anderen Problemen wie steigenden Strompreisen und drohenden Energieengpässen in den Hintergrund zu rücken scheint, können alle Faktoren zusammen im Herbst zu einer enormen Herausforderung werden.

Steigende Strompreise bedrohen Digitalisierung

Denn: Auch Rechenzentren und Netzbetreiber sind stark von den steigenden Strompreisen betroffen, wie jedes andere Unternehmen fürchten auch sie mögliche Energieengpässe in den Herbst- und Wintermonaten. Rechenzentren und Netzbetreiber sind für eine fortschreitende Digitalisierung aber unabdingbar, ein Ausfallen dieser Akteure würde Deutschland vor ein weiteres Problem stellen. „Die im europäischen Vergleich sehr hohen Stromkosten sind seit Jahren ein entscheidender Standortnachteil für deutsche Rechenzentren. Durch die stark gestiegenen Energiepreise nach dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine spitzt sich die Situation für die Digitalwirtschaft insgesamt zu“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. „Konsequente und zielgerichtete Schritte zur Entlastung der digitalen Wirtschaft von den explodierenden Energiepreisen sind notwendig, um die Digitalisierung voranzutreiben und Deutschlands digitale Souveränität zu stärken.“

Besonders betroffen sind die sogenannten Colocation-Rechenzentren, Stromkosten machen hier den Großteil der Betriebskosten aus. Genau diese Art von Rechenzentren stellen aber in Deutschland oftmals die IT-Infrastruktur und die Server für IT-Anwendungen für Unternehmen bereit – Colocation-Rechenzentren geben die Stromkosten in der Regel direkt und auch meistens komplett an die jeweiligen Unternehmen weiter. In Deutschland gibt es aktuell rund 3000 Rechenzentren mit mehr als 40 kW IT-Anschlussleistung und mindestens 10 Server-Racks, obendrauf kommen etwa 47.000 kleinere IT-Installationen. Rechenzentren in Deutschland haben derzeit einen Strombedarf von 16 Milliarden Kilowattstunden im Jahr, laut der vom Borderstep Institut durchgeführten Bitkom-Studie „Rechenzentren in Deutschland“ wird dieser Bedarf bis 2030 jährlich um 3,5 bis fünf Prozent wachsen.

Zusammengefasst: Wenn sich das Corona-Virus ab Herbst wieder verstärkt ausbreiten würde, würde die Bedeutung der Digitalisierung für Unternehmen erneut zunehmen und damit auch die Kosten dafür. „Rechenzentren und Telekommunikationsnetze sind das Rückgrat der Digitalisierung in Deutschland. Die hohen Strompreise belasten nicht nur die Branche selbst, sie wirken sich auch auf alle Unternehmen aus, die von ihnen abhängig sind“, sagt Rohleder. „Neben einem schnellen Ausbau erneuerbarer Energien brauchen wir Standortbedingungen, die Rechenzentren im Land halten. Der Bedarf an Rechenzentrumskapazitäten und Standorten nimmt weiter deutlich zu.“

Rechenzentren müssen Energieeffizienz steigern

Die Situation im Herbst und Winter könnte also in vielfacher Hinsicht kritisch werden, die Handlungsfähigkeit verschiedenster Unternehmen in und außerhalb der Nonfood-Branche ist nicht gesichert. Bitkom fordert deshalb in einer Pressemitteilung, Rechenzentren mit systemrelevanter IT-Infrastruktur bei einem drohenden Strommangel im Herbst und Winter prioritär zu berücksichtigen. „Die Betreiber von Rechenzentren sind enorm von zu befürchtenden Stromengpässen im Winter bedroht. Bereits jetzt sind die Dieseltanks zur Notstromversorgung bei den meisten maximal gefüllt“, sagt Rohleder.

Problematisch sei vor allem, dass durch aktuelle Regelungen nur größere Rechenzentren mit einer jährlichen Anschlussleistung von mehr als 3,5 Megawatt pro Jahr berücksichtigt werden. „Allerdings gibt es auch kleinere Rechenzentren, die systemrelevante IT betreiben. Die Größe allein darf nicht dafür ausschlaggebend sein, ob ein Rechenzentrum bei der Aufstellung von Notfallplänen berücksichtigt wird. Dieser Umstand muss bei den Planungen für Herbst und Winter eine Rolle spielen“, sagt Rohleder.

Für die Zukunft wünscht sich Rohleder: „Wichtig ist auch, dass die Betreiber von Rechenzentren ihre Energieeffizienz weiter steigern – auch im Interesse des Klimaschutzes. Hier wurden in den vergangenen Jahren große Fortschritte erzielt. So hat sich die in Rechenzentren installierte Rechenkapazität pro verbrauchter Kilowattstunde Strom seit 2010 fast verfünffacht.“ Deutschland muss also unabhängiger werden – auch in Sachen Digitalisierung.

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