So funktioniert Homeoffice
Auch der Elektro-Experte Özcan Karadogan analysiert ab jetzt regelmäßig wichtige Themen rund um die Elektro-Branche hier auf liv.biz. Dieses Mal spricht Karadogan in "Insidernews by Karadogan" über seine persönlichen Homeoffice-Erfahrungen als Vestel-Geschäftsführer. Im Interview erklärt er, welche Herausforderungen bewältigt werden mussten und wie der Arbeitsplatz der Zukunft aussehen könnte.

Özcan Karadogan musste als ehemaliger Geschäftsführer von Vestel Germany während der Corona-Pandemie eine Homeoffice-Regelung für seine Mitarbeiter finden. Foto: Bellahu123 – pixabay.com
Wie stehen Sie zu Homeoffice?
Wie viele andere in meiner Position stand ich Homeoffice anfangs skeptisch gegenüber. In meiner bisherigen Firma hatten wir bis auf zwei bis drei Ausnahmen im Außendienst keine Homeoffice-Regelung. Dies hat sich durch die Pandemie schlagartig geändert.
Ab April 2020 haben wir Homeoffice für alle Mitarbeiter in allen Abteilungen eingeführt. Die Möglichkeit zum Homeoffice haben wir bis heute aufrechterhalten. Man hat in den vergangenen zwei Jahren gesehen, dass die Firma auch mit Homeoffice gut läuft. Daher hat sich meine Meinung sehr zum Positiven verändert.

Özcan Karadogan ist Experte für die Elektro-Branche. Foto: Özcan Karadogan
Wie hat sich das Arbeiten durch Corona verändert?
Wir haben unsere Mitarbeiter innerhalb kürzester Zeit mit modernster Technik zu Hause ausgestattet. Das heißt, unsere Mitarbeiter bekamen Notebooks, Monitore und Drucker für das Homeoffice. Eine sichere VPN-Verbindung existierte bereits.
Mir ist aufgefallen, dass durch die einfache Organisation einer Video- oder Telefon-Konferenz auf einmal deutlich mehr Meetings als zuvor einberufen wurden. Der fehlende physische Kontakt im Büro wurde vermeintlich dadurch kompensiert. Auch der Kontakt zu Kunden und Dienstleistern wurde weitaus intensiver als vorher, da man keine langwierigen Reisen mehr organisieren und Termine koordinieren musste.
Da die Homeoffice-Regelung freiwillig war, sind aber dennoch einige Mitarbeiter jeden Tag unter Einhaltung der Corona-Regeln ins Büro gekommen.
Wie kann das Arbeiten von zu Hause funktionieren?
Die Rahmenbedingungen zu Hause müssen passen. Hier muss man zwischen zwei verschiedenen Gruppen unterscheiden: Die eine „priviligierte“ Gruppe ist vielleicht alleinstehend oder lebt nur mit einer Partnerin oder einem Partner zusammen, hat keine Kinder und keine räumlichen Einschränkungen. Hier funktioniert Homeoffice gut.
Die andere Gruppe hat beengte Wohnräume oder eine Familie mit einem oder mehreren Kindern. Hier müssen klare Regeln innerhalb der familiären Umgebung aufgestellt werden, damit es gut funktioniert.
Wichtig ist neben den gesetzlichen arbeitsrechtlichen Vorschriften auch die Selbstdisziplin. Man sollte sich Zeitblöcke definieren und die Arbeit besser ungestört in einem Rutsch erledigen, als ständig gestört und unkonzentriert zu arbeiten.
Kontrolle oder Vertrauen?
Letztendlich bleibt dem Arbeitgeber nichts anderes übrig, als dem Mitarbeiter zu vertrauen, dass er oder sie die Arbeit gewissenhaft erledigt. Im Grunde ist es beim Präsenz-Arbeiten auch nichts anderes. Acht Stunden im Büro sein, heißt nicht zwangsläufig, dass der Mitarbeiter effektiv und gut organisiert arbeitet.
Ich denke, dass das Vertrauen im Rahmen des Homeoffices auch ein zusätzlicher Motivations-Faktor sein kann. Solange ein Mitarbeiter sein Arbeitspensum schafft, ist alles gut. Daher ist es auch wichtig, Ziele und Zwischen-Steps zu definieren, und die Arbeitsinhalte als kleine Projekte zu gestalten. Werden die Ziele erreicht, ist es unwesentlich, ob ein Mitarbeiter acht oder nur sechs Stunden arbeitet.
Was sind die Vorteile, was die Nachteile von Homeoffice?
Wie schon angedeutet, kommt es sehr auf die Rahmenbedingungen im häuslichen Umfeld an. Stimmen diese, dann kann Homeoffice bei diszipliniertem Arbeiten gut funktionieren. Allerdings verfallen wir durch den Versuch, den fehlenden physischen Kontakt zu kompensieren, in einen Video-Konferenzen-Wahn. Da ist es beim Präsenz-Arbeiten schon leichter, bestimmte Dinge auf dem „kurzen Dienstweg“ oder „zwischen Tür und Angel“ schnell zu klären. Zudem ist Team-Leadern auch zu raten, die Team-Ziele besser und klar zu definieren und bestimmte Tools zur Hilfe zu nehmen.
Klarer Vorteil für die Mitarbeiter ist natürlich, dass sie die Zeit besser an die persönlichen Rahmenbedingungen anpassen können, und dass durch den Wegfall des stressigen Arbeitsweges ein positiver Effekt sowohl für die Umwelt, als auch für die Nerven und den Geldbeutel eintritt.
Nichtsdestotrotz sollte man darauf achten, dass man nicht 24 Stunden online ist, sich Ruhepausen gönnt und die Arbeitszeit klar eingrenzt.
Wie wird der Arbeitsplatz der Zukunft aussehen?
Durch die Pandemie und die globalen Krisen ist nicht nur in der Politik eine „Zeiten-Wende“ eingetreten, sondern auch in der Arbeitswelt. Wir müssen weg von starren Arbeitszeit- und Arbeitsplatz-Modellen.
Zum einem wird in den meisten Firmen auch nach der Pandemie das „hybride Arbeitsmodell“ eingeführt. Das heißt, dass jeder Mitarbeiter das Recht bekommt, zwei bis drei Tage in der Woche von zu Hause aus zu arbeiten.
Auf der anderen Seite wird man sich von starren Büro-Modellen lösen müssen. Einige US-amerikanische Unternehmen haben das bereits auch in Europa eingeführt. Das bedeutet, dass es keine festen Arbeitsplätze mehr, sondern flexible „Work-Stations“ gibt, die jeden Tag woanders sein können. Positiv zu bewerten ist hier natürlich, dass keine großen Büroflächen mehr benötigt werden.
Des Weiteren sehe ich erheblichen Bedarf, die Arbeitsinhalte anders anzugehen. Das heißt, die Aufgaben als einzelne Projekte und Ziele anzulegen. So muss man auch nicht die starre Wochenarbeitszeit kontrollieren, Mitarbeiter können vielmehr ergebnisorientiert geführt und begleitet werden. Trotz allem ist es aber wichtig, dass man sich ein bis zweimal in der Woche auch „analog“ trifft.
Cooles Interview