Warum Deutsche nicht mehr einkaufen wollen
Corona-Pandemie und Ukraine-Krise bestimmen das Kaufverhalten der Deutschen. Seit Februar lässt sich erneut ein Abwärtstrend beobachten. liv.biz informiert über Gründe und was die Situation in der Ukraine für den Nonfood-Sektor bedeutet.

Eine Frau trägt bunte Einkaufstaschen. Foto: gonghuimin468 – unsplash.com
Eines ist klar: Die Corona-Pandemie hat seit Beginn das Einkaufsverhalten der Deutschen stark beeinflusst. Lockdowns, Impfung und psychische Faktoren haben laut GfK-Studien zu veränderten Erwartungen, Hoffnungen und Bedürfnissen geführt. So waren es im Juni 2021 vor allem die vollständig Geimpften, die positiv in die Zukunft blickten und sich weniger ökonomische Sorgen machten (62 Prozent der Befragten). Im Gegenzug waren es nur 40 Prozent der Impfwilligen ohne Impfung, die zu diesem Zeitpunkt in Bezug auf ihre ökonomische Situation sorgenfrei lebten. Mehrausgaben im Nonfood-Bereich wurden vor allem von jüngeren und geimpften Befragten geplant. Im Juli ebbte die Kaufmotivation bereits wieder ab, die Delta-Variante und eine mögliche vierte Welle waren nach der GfK ausschlaggebende Faktoren.
Februar zerschlägt Hoffnung auf besseres Konsumklima
Das neue Jahr brachte zunächst Hoffnung. Im Januar 2022 sah es laut GfK nun so aus, als würde sich das Konsumklima in Deutschland endlich wieder erholen – nach zwei Rückgängen in Folge. Das Konsumklima bezieht sich auf die gesamten privaten Konsumausgaben, etwa 30 Prozent macht hierbei der Einzelhandel aus. Das Konsumklima bedingen wiederum Konjunkturerwartung, Einkommensaussichten und Anschaffungsneigung (Planung größerer Anschaffungen). Verbraucher waren im Januar optimistischer, unter anderem stieg die Einkommenserwartung, was wiederum mehr Menschen dazu veranlasste, größere Anschaffungen zu planen. Der Februar zeigte nun ein anderes Bild: Die Einkommenserwartung sinkt aufgrund einer hohen Inflation und damit auch die Anschaffungsneigung. Aber warum ist das so? Warum blicken Verbraucher aktuell in eine düstere Zukunft und warum bleibt ein Boom des stationären Handels trotz Aufheben der 2G-Regelung aus? Das hat Universitätsprofessor Dr. Peter Kenning, Lehrstuhlinhaber für BWL an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, liv.biz erklärt.
Ängste und Kreditverpflichtungen sind entscheidende Faktoren
Dass Menschen derzeit weniger kaufen möchten, hat laut Prof. Dr. Kenning verschiedene Gründe: „Zum einen sind manche Menschen auch in der aktuellen Situation noch ängstlich, sich in großen Gruppen anzustecken und meiden deswegen den Einzelhandel.“ Online bestellen sei für viele jetzt eine Option, aber ökonomische Gründe bedingen schließlich auch das Kaufverhalten im Netz. „Viele haben ihre Ersparnisse aufgebraucht und haben Sorge, ihre Kreditverpflichtungen langfristig nicht bedienen zu können.“ So zeige eine aktuelle Studie der Schufa aus dem Januar 2022 beispielsweise, dass etwa 32 Prozent der im Januar 2022 befragten Personen aufgrund der Corona-Pandemie auf ihre Ersparnisse zurückgreifen mussten, vier Prozent mehr als im Februar 2021. Mehr als ein Drittel der Befragten hätten außerdem sowohl im Januar 2022 als auch im Februar 2021 aufgrund der Pandemie geplante größere Anschaffungen verschoben. Und etwa 10 Prozent haben sich während der Pandemie Geld bei Freunden oder Verwandten geliehen. „Vermutlich möchten diese Menschen diese Schulden zunächst einmal zurückzahlen, bevor sie sich einen neuen Fernseher oder ähnliches kaufen“, sagt Prof. Dr. Kenning.
Könnte Ukraine-Krise Trend fortführen?
Was die nähere Zukunft angeht, war die GfK noch im Februar optimistisch. Vor allem das geplante schrittweise Aufheben der Corona-Maßnahmen sei ein wichtiger Faktor für ein besseres Kaufklima. Die drastische Verschlimmerung der Situation in der Ukraine könnte nun aber erneute negative Auswirkungen auf das Kaufverhalten der Deutschen haben. Hier spielt laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vor allem die Erwartung einer zunehmendem Inflation eine entscheidende Rolle, wirtschaftliche Sanktionen sind hier das Stichwort. So befindet sich die Inflationsrate aktuell über der 5-Prozent-Marke. Dies könnte das Konsumklima weiterhin trüben.
Das bestätigt auch Prof. Dr. Kenning:
„Grundsätzlich führen Krisen als negative situative Einflussfaktoren eher dazu, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher finanziell verunsichert sind und weniger konsumieren.“ Aber: „Wie stark die Effekte auf den inländischen Konsum konkret sein werden, kann man derzeit nur schwer abschätzen. Dies hängt sicher auch davon ab, wie lange der Angriffskrieg dauert. Es ist aber bereits klar erkennbar, dass die Energiepreise sowie die Preise für bestimmte Grundnahrungsmittel erheblich steigen und wohl auch noch weiter steigen werden. Gleichwohl sind die Effekte nicht so flächendeckend wie bei der Corona-Pandemie. Denn gerade zu Beginn der Pandemie hatten wir eine Krise auf beiden Marktseiten, das heißt sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite.“
Es bleibt also abzuwarten, ob, wann und wie viel die Deutschen im kommenden Frühjahr einkaufen wollen.
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