Wenn die Papierindustrie still steht …

Bei einem Gas-Embargo oder einem Lieferstopp kann auch die Papierindustrie nicht mehr produzieren, systemrelevante Papierprodukte wie Verpackungen für Medikamente oder Lebensmittel können dann nicht mehr hergestellt werden, sagt Alexander von Reibnitz. Was die Papierindustrie in naher und ferner Zukunft erwartet, hat uns der CEO des PAPIERINDUSTRIE e.V. im Interview verraten.

04.05.2022 Jakob Seeber 0 Kommentare 7 Likes
Eine Welt ohne Papier ist nur schwer vorstellbar.

Eine Welt ohne Papier ist nur schwer vorstellbar. Foto: JJ Ying – unsplash

Wie kommt die Papierindustrie mit den gestiegenen Energiepreisen zurecht? Gibt es hier mittlerweile Förderungen von der Regierung?

Die Steigerungen bei den Energiepreisen sind dramatisch. Die Unternehmen versuchen natürlich, diese Kosten am Markt weiterzugeben. In Einzelfällen, wo dies besonders schwierig war, hat es aber auch schon temporäre Stillstände der Produktionsanlagen gegeben. Die Bundesregierung hat im Rahmen der Umsetzung des EU-Beihilferahmens in Deutschland für Juli ein Entlastungspaket angekündigt.

Wie abhängig ist die Papierindustrie von Gas?

Gas wurde als Brückentechnologie propagiert, die den Übergang von fossilen zu erneuerbaren Brennstoffen ermöglichen sollte. Entsprechend hoch ist der Gaseinsatz in der Industrie. In der Papierindustrie macht Gas 58 Prozent des Brennstoffeinsatzes aus. Laut einer Umfrage unter unseren Mitgliedern könnten maximal 10 bis 15 Prozent des Gaseinsatzes bis zum kommenden Winter durch andere Energieträger substituiert werden.

Alexander von Reibnitz, CEO der PAPIERINDUSTRIE e.V. Foto: Raimar von Wienskowski

Alexander von Reibnitz, CEO des PAPIERINDUSTRIE e.V. Foto: Raimar von Wienskowski

Welche „papierbasierten“ Produkte sind bei der Herstellung am energieaufwendigsten? Inwiefern kann eine Papierproduktion nachhaltig sein?

Es gibt kein Ranking nach Energieaufwand zwischen den einzelnen Sortengruppen. Generell ist Papier ein nachhaltiges Produkt, das aus einem nachwachsenden Rohstoff hergestellt und beispielhaft im Kreislauf geführt wird.

Muss der Endkunde aus dem Handel mit drastischen Preissteigerungen oder anderweitigen Folgen rechnen?

Die explodierenden Energiepreise machen sich in allen Bereichen bemerkbar, natürlich auch beim Papier. Wir sollten uns auch einmal fragen, welche systemrelevanten Papierprodukte bei einem Gas-Embargo oder einem Lieferstopp nicht mehr zur Verfügung stehen, zum Beispiel Verpackungen für Lebensmittel oder Medikamente, Hygienepapiere für Medizin und Pflege oder Druckpapiere für Zeitungen und Zeitschriften.

Wie stark wirkt sich die Digitalisierung auf die Papierindustrie aus? 

Bei den Medien hat die Digitalisierung in den letzten zehn Jahren ihre Spuren hinterlassen und den Markt für grafische Papiere deutlich schrumpfen lassen. Interessanterweise ist es jetzt nach dem Ende des Corona-Lockdowns zu einem sprunghaften Anstieg der Nachfrage nach Print-Werbung und damit grafischen Papieren gekommen. Die Digitalisierung hat auf der anderen Seite den E-Commerce beflügelt, für den Verpackungen aus Papier, Karton und Pappe ein wichtiger Teil der Logistik sind.

Wie wird die Papierindustrie in zehn Jahren aussehen?

Die Papierindustrie wird weiter unverzichtbare Produkte für den Alltag der Menschen herstellen. Die Nachfrage nach nachhaltigen Verpackungen wird weiter steigen und beim Medium Print wird die Talsohle durchschritten sein. Hinzukommen werden zahlreiche technische Produkte aus Papier, etwa bei gedruckter Elektronik oder Konstruktionsmaterialien aus papierbasierten Komponenten.

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